Vom rätselhaften Tod eines Folterers

Ein ehemaliger Offizier wird nach einem Einbruch tot in seinem Haus in Rio de Janeiro aufgefunden. Viele Waffen und insbesondere mehrere Laptops wurden entwendet. Und das nur wenige Wochen, nachdem er während einer Anhörung vor der Nationalen Wahrheitskommission stolz berichtet hatte, wie und mit wem er während der Diktatur brutal folterte und tötete. Ein Zufall? Kaum vorstellbar.

Die Polizei rekonstruierte inzwischen den Tathergang. Der 76-jährige Paulo Malhães hatte am 25. April zusammen mit seiner Frau und dem Hausmeister drei Einbrecher überrascht. Während diese stundenlang das Haus durchsuchten, wurde er an einen Stuhl gefesselt und erlitt vermutlich einen Herzinfarkt. Der Hausmeister hat inzwischen gestanden, seinen zwei Brüdern die nötigen Informationen für den Einbruch gegeben zu haben. Beide sind noch flüchtig.

„Normale Diebe legen sich nicht mit diesen Militärs an“, sagte ein junger Anwalt gestern zu mir. Und auch ohne diese Volksweisheit ist so einiges an dem Fall rätselhaft. Der Haushund von Malhães schlug augenscheinlich nicht an, als die Einbrecher das Grundstück betraten. Und insbesondere der Diebstahl der Computer scheint verdächtig. So verdächtig, dass die Nationale Wahrheitskommission (CNV) die Regierung des Bundesstaates Rio de Janeiro bat, die Bundespolizei in die Ermittlungen einzubeziehen. “Die Anhörung von Malhães war die bislang wichtigste der Kommission. Lassen Sie uns hoffen, dass sich der sehr naheliegende Verdacht, dass es bei dem Verbrechen um das Vernichten von Beweisen ging, nicht bewahrheitet“, sagte Pedro Dallari, Mitglied der CNV. Die Bundespolizei hat inzwischen mehrere Computer, digitale Medien und Geheimdokumente über die Zeit der Militärdiktatur im Haus konfisziert. Auch die Vereinten Nationen fordern eine umgehende Untersuchung des Falls.

Malhães und die “casa da morte”

Und dann ist da natürlich noch die These des Racheengels aus der Vergangenheit, die vor allem von konservativen Kreisen kolportiert wird. Der unter dem Decknamen „Dr. Diablo“ („Dr. Teufel“) bekannte Malhães hatte unter dem Schutz des Amnestiegesetzes erst im März bei seiner Anhörung vor der CNV detailliert geschildert, wie er in den 70er Jahren in den Räumen der „casa da morte“ („Haus des Todes“), einem Folterzentrum der Militärs nördlich von Rio de Janeiro, gefoltert und gemordet hatte.

Anhörung von Paulo Malhães vor der Nationalen Wahrheitskommission am 25.03.2014

Anhörung von Paulo Malhães vor der Nationalen Wahrheitskommission am 25.03.2014

Von Reue keine Spur. „Ich habe nur meine Pflicht erfüllt“, sagte der 76-Jährige. Es habe keine Alternative zur Folter gegeben. Auf die Frage, wieviele Menschen er getötet habe, antwortete er, “soviele wie eben nötig waren“. Malhães, dessen frappierende Ähnlichkeit mit Saddam Hussein für zusätzliche Schlagzeilen sorgte, hatte zudem bis ins Detail geschildert, wie er und seine Kollegen die Leichen der Gefolterten verstümmelt hatten, um jede spätere Identifizierung unmöglich zu machen.

Unabhängig davon, ob der unerwartet harmlose Tod des ehemaligen Folterers nun Ironie des Schicksals war oder tatsächlich Ergebnis oder zumindest Folge eines Komplotts: er ist ein Verlust für die Arbeit der CNV, die sich noch weitere Informationen über die Verbrechen und Mitverantwortlichen von Malhães erhofft hatte. Auch werden die anhaltenden Spekulationen möglicherweise weitere der sowieso schon kooperationsunwilligen Militärs davon abhalten, vor der Kommission auszusagen oder ihnen einen Grund für die Verweigerung der Aussage liefern.

Das zweiteilige Video von der Anhörung des Offiziers, die Zitate stammen aus Teil 2, finden Sie auf dem Youtube-Kanal der Nationalen Wahrheitskommission.

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